Wegweiser für ein Leben mit LHON

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Close-up of the fag of Germany against a blue sky.

Wegweiser für ein Leben mit LHON

Jeder Patient geht seinen eigenen Weg durchs Leben und versucht, mit den besten verfügbaren Mitteln so viel wie möglich über seine Erkrankung herauszufinden. Handelt es sich um eine so seltene Krankheit wie die Leber'sche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON), sind Hilfsmittel eher rar, wodurch es für Patienten noch schwieriger ist, den besten Weg einzuschlagen.

Der Journalist Pedro García Recover, der derzeit über die sozialen Aspekte der LHON promoviert, spricht mit pharmaphorum über seinen eigenen Weg von der Diagnose hin zum Alltag mit LHON sowie über seine Arbeit für Betroffene in der spanischen Patientenselbsthilfegruppe ASANOL, deren Präsident er ist.

Diagnose LHON

Pedro war 14 bei seiner LHON-Diagnose. LHON ist eine erbliche Erkrankung mit seltenen, rasch auftretenden Symptomen, die mit plötzlichem Sehverlust einhergeht und im jungen Erwachsenenalter zur Erblindung führt. Die Erkrankung, die in jedem Alter auftreten kann, war in Pedros Fall nicht mit Schmerzen verbunden, lediglich mit dem plötzlichen – jedoch nicht vollständigen – Verlust der Sehkraft in beiden Augen. Gegenwärtig kann er mit dem linken Auge besser sehen als mit dem rechten.

Wenn er an diese Zeit zurückdenkt, kann er sich an das erdrückende Gefühl der Verunsicherung erinnern, das ihn durch sein immer schlechter werdendes Sehvermögen ergriff. „Ich wusste nicht, was mit meinem Augenlicht geschah. Auf einmal konnte ich nicht mehr so sehen wie zuvor und die Unsicherheit hielt lange an, da die Abklärung durch einen Spezialisten dauerte.“

Die Abklärung war kein leichter Prozess. Zunächst war er an verschiedenen Stellen in seiner Heimatstadt Almería in Behandlung und suchte dann bei Spezialisten in Granada, Valencia und schließlich in Málaga nach Antworten auf die Frage, warum er sein Augenlicht mehr und mehr verlor. Erst in Málaga erfuhren Pedro und seine Eltern von dem Verdacht auf LHON und einem genetischen Test, der zur Bestätigung der Diagnose durchgeführt werden müsse.

„In Málaga hatten wir das Glück, auf Spezialisten zu treffen, die uns beim Verständnis der Krankheit halfen und deren Ursache erklärten.“

Seitdem versucht Pedro, immer mehr über seine Erkrankung herauszufinden, was ihn auch zum Thema seiner Doktorarbeit geführt hat, in der er sich mit den sozialen Aspekten der LHON befasst. Dabei hat er die Erfahrung gemacht, dass „jeder LHON-Patient, egal wie viel Sehvermögen er hat, lernt, mit LHON zu leben und den Alltag an seine Bedürfnisse anzupassen“. Er kam ferner zu dem Schluss, dass Patientenorganisationen in Spanien zusammenarbeiten und ihre Anstrengungen für Betroffene kombinieren sollten, da sich an LHON erkrankte Menschen eventuell auch an die Nationale Spanische Blinden-Organisation ONCE oder die Spanische Föderation für Seltene Erkrankungen FEDER wenden.

In dieser Hinsicht gibt es seiner Meinung nach noch sehr viel zu tun – obwohl er den sozialen und politischen Willen sieht, bei der Aufklärung und Behandlung von LHON Fortschritte zu machen, muss nach Pedros Meinung beim Zugang zu Studien- und Arbeitsplätzen deutlich mehr getan werden. Hinzu kommt, dass Fachärzte (wie z. B. Augenärzte und Neurologen) mehr über die Krankheit wissen müssen, insbesondere wenn es darum geht „zu verstehen, wie mit dem Gefühl des Unbehagens von Patienten und deren Familien umgegangen werden kann, wenn diese nach Erklärungen und nach einer Diagnose suchen“.

Pedro fügt hinzu: „Familien und Patienten benötigen Unterstützung, um zu verstehen, was ihnen widerfahren ist.“

Leben mit LHON

Selbst wenn Patienten die LHON-Diagnose erhalten haben und bestätigt wurde, dass die Zellen im Sehnerv aufgrund von genetischen Mutationen degenerieren und den Sehverlust verursachen, müssen sie erst lernen, mit der Erkrankung umzugehen, und begreifen, welche Auswirkungen sie auf ihr Leben hat.

Für Pedro als erwachsenen LHON-Patienten bedeutet das zum Beispiel, aufgrund der Krankheit Einschränkungen in der Arbeitswelt in Kauf nehmen zu müssen. „Es ist möglich, eine fundierte akademische Ausbildung zu erhalten und Arbeitserfahrungen zu sammeln, aber eine Sehbehinderung – verursacht durch LHON – wird von vielen Unternehmen, bei denen ich mich um eine Stelle bewarb, als problematisch angesehen“, erläutert er. Die Erkrankung bringt auch finanzielle Belastungen mit sich, beispielsweise Kosten für sehbehindertengerechte Telefone, große Computerbildschirme und verschiedene Linsentypen.

„Auch zu Hause achten wir auf bestimmte Dinge; so kaufen wir gesunde Lebensmittel – d. h. Produkte mit antioxidativen Eigenschaften und Vitaminen, Obst, Gemüse sowie frische Fleisch- und Fischerzeugnisse für eine abwechslungsreiche und gesunde Ernährung.“

Ferner greift er auf moderne Assistenzsysteme zurück, vor allem sein iPhone ist für den Zugriff auf Informationen ein unerlässliches Hilfsmittel. Obwohl soziale Netzwerke „heutzutage ein sehr interessantes Medium“ sind, müssen auch hier noch Fortschritte in puncto Barrierefreiheit gemacht werden. „Einerseits wird es Patienten ermöglicht, miteinander in Kontakt zu treten, Informationen auszutauschen und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Andererseits benötigen sie dafür auch bestimmte Fertigkeiten, um richtig damit umgehen zu können.“

LHON in Spanien

Gegenwärtig gibt es in Spanien mehrere Zentren, in denen an LHON erkrankte Menschen behandelt werden können. Bei den Einrichtungen handelt es sich sowohl um private als auch öffentliche Kliniken, meist in größeren Städten, wie Barcelona, Madrid oder Sevilla, sodass der Zugang auch von den finanziellen Möglichkeiten der Familien abhängt. Pedro erläutert: „Ich mache mir große Sorgen um Betroffene in kleineren oder mittleren Städten, da die Ärzte dort meist nur sehr wenig über die Krankheit wissen. In großen Städten gibt es große Krankenhäuser, wo es im Vergleich mit Kleinstädten wahrscheinlicher ist, dass LHON diagnostiziert werden kann.“

Um die Kenntnisse von medizinischen Fachkräften außerhalb von spezialisierten Zentren zu verbessern, arbeitet die Patientengruppe ASANOL mit Labors und Ärzten zusammen, um deren Wissensstand über die Krankheit zu erweitern. Für Menschen, bei denen erstmals LHON-Symptome auftreten, und solche, die bereits mit der Erkrankung leben, bietet die gemeinnützige Organisation Informationen und vermittelt LHON-Spezialisten zur medizinischen Betreuung. Bei den halbjährlichen sozialen Treffen der Organisation in Spanien haben Patienten und deren Familien die Möglichkeit, sich auszutauschen.

Obwohl die Gruppe erst seit acht Jahren aktiv ist, hat sie sich bereits vorgenommen, auch international wirksam zu werden und tritt zunehmend in Europa in Erscheinung. Auch hat sie bereits Partnerschaften in Lateinamerika gebildet.

„Wir haben bei dem Versuch mitgewirkt, in einigen Ländern Patientenorganisationen zu gründen. Dies ist jedoch aufgrund von rechtlichen und strukturellen Unterschieden jedes lateinamerikanischen Landes von Spanien aus nicht einfach zu bewerkstelligen. Wir haben Kontakt mit ALIBER aufgenommen, der Lateinamerikanischen Vereinigung von Patienten mit seltenen Krankheiten, um an LHON erkrankten Menschen in Lateinamerika zu helfen.“

Anpassung des Lebenswegs

Als Journalist weiß Pedro nur zu genau, wie wenig die Medien gegenwärtig über LHON berichten. „Journalisten und Medienvertreter müssen mehr Augenmerk auf seltene Krankheiten richten. Und auch wir müssen professioneller werden und den Medien Informationen von guter Qualität anbieten, die in den Mittelpunkt der Berichterstattung gerückt werden können. Unerzähltes bleibt unbekannt und damit unsichtbar.“

Obwohl er sich mit Ratschlägen zurückhält, sagt Pedro, er habe einige Lehren aus dem Leben mit LHON ziehen können. Dazu gehört unter anderem die große Herausforderung für neu diagnostizierte Patienten, sich auf die neuen Lebensumstände einzustellen und die Erkrankung psychisch zu bewältigen. „Ich verwende gern die folgende Maxime, weil ich weiß, wie realistisch sie ist: Wenn die Erkrankung in dein Leben tritt, muss sich deine bisherige Lebensplanung ändern.“

Zur Person:

[caption id="attachment_45862" align="alignleft" width="185"]Living with LHON: Pedro García Recover, president of Spanish patient group ASANOL Pedro García Recover[/caption]

Pedro García Recover wurde 1978 in Almería geboren. In seiner Jugend spielte er Handball, bis er mit 14 an LHON erkrankte. 2004 schloss er sein Journalistik-Studium ab und erhielt 2009 den Masterabschluss in sozialer Kommunikation. Er arbeitet gegenwärtig an der Fakultät für „Recht und Gesellschaftswissenschaften“ der Nationalen Fernuniversität (UNED) an seiner Doktorarbeit über psycho-soziale Aspekte der Leber'schen Hereditären Optikus-Neuropathie.

Pedro García konnte in seinem Berufsleben umfangreiche Kommunikationserfahrungen mit nichtstaatlichen Organisationen sammeln. Er arbeitete unter anderem 5 Jahre als Radiomoderator und -Regisseur. Er ist als Redner, Dozent und Spezialist für soziale Kommunikation tätig und engagiert sich für Management und Strategien von sozialen Netzwerken. Er nahm bereits an einer Reihe von nationalen und internationalen Foren zum Thema Menschenrechte und Menschen mit Behinderungen teil. Seit 2016 arbeitet er für die Nationale Spanische Blinden-Organisation ONCE.

Pedro García ist gegenwärtig Präsident von ASANOL, einer Spanischen Organisation von an Leber'scher Hereditärer Optikus-Neuropathie (LHON) erkrankten Menschen. Er wurde im März 2018 zu ihrem Präsidenten gewählt.

Weitere Artikel in dieser Reihe finden Sie unter Disease Spotlight: LHON, produziert von pharmaphorum in Zusammenarbeit mit Santhera Pharmaceuticals.